Erfahrungen aus dem Chibodia Kinderheim

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Erfahrungen aus dem Chibodia Kinderheim

Piseys Geschichte

Piseys Mutter verstarb als sie acht war. Nachdem ihr Vater wieder geheiratet und zwei weitere Kinder mit seiner neuen Frau bekommen hat, konnte er nicht mehr für die vier Kinder aus erster Ehe sorgen, also war es für ihn klar, dass er diese abschieben musste.

Daher lebte Pisey zuvor in einem kambodschanisch geleiteten Kinderheim in Phnomh Penh. Dort wurden die Kinder zu Tanzaufführungen gezwungen, um damit Geld zu verdienen. Dieses Geld wurde jedoch nicht zum Wohl der Kinder eingesetzt. Unzureichendes Essen, sehr unregelmäßige Schulbesuche und fehlende medizinische Versorgung gehörten zu ihrem Alltag. Pisey`s Onkel, der in diesem Kinderheim als Tanzlehrer arbeitete, suchte den Kontakt zu anderen Organisationen, um seinen Nichten und Neffen eine bessere Lebens- und Ausbildungssituation zu ermöglichen. Der Gründer eines befreundeten Kinderheims stellte im Juli 2008 den Kontakt zu Chibodia her.

 

 

Interview mit Pisey Yin im April 2021:

Anne:  Welche Erinnerungen hast du noch an deinen ersten Tag im Kinderheim?

Pisey: Ich erinnere mich nicht mehr ganz genau an den ersten Tag im Kinderheim, nur noch wie ich reingekommen bin. Woran ich mich gut erinnern kann, dass ich vor der Waschmaschine gesessen und diese Maschine mit großem Interesse beobachtet habe, wie die Wäsche sich in der Trommel dreht.

Anne: Kannst du dich noch an Eindrücke, Situationen oder Geschichten der ersten Wochen erinnern?

Pisey: Ja, es hat mittags nach dem Essen immer Obst gegeben, das gab es vorher nie. Das hat mir sehr gut gefallen. Für die Karatewettkämpfe habe ich immer sehr hart trainiert, morgens um 5 Uhr habe ich alle geweckt, um sie für die Wettkämpfe zu motivieren, dass wir möglichst viel gewinnen. Unser Mädchenzimmer ist oben gewesen, wir haben in Stockbetten geschlafen.

Woran ich mich auch gut erinnere, ist die Regenzeit. Der ganze Hof ist überflutet gewesen und obwohl es auch mit Abwässern gemischt war, haben wir im Regen getanzt, gespielt, gesungen, Fahrrad gefahren – das hat so viel Spaß gemacht.

Bei der ersten Weihnachtsparty hat uns Sabine Solbach (ehemaliges Vorstandsmitglied) besucht und uns allen Puppen mit Kleidern geschenkt, damit haben wir dann ständig gespielt.

Anne: Wie hast du das Kinderheim in den vielen Jahren erlebt? Was waren die wichtigsten 3 Dinge dort für dich?

Pisey: Essen, dass wir immer gemeinsam gegessen haben und uns keine Sorgen, um Essen machen mussten.

Unterricht, ich habe es geliebt neue Sachen zu lernen. Computer- und Englischunterricht sind für mich immer sehr interessant gewesen. Ich habe Geige angefangen zu lernen und ich habe am Goethe-Institut Deutsch gelernt mit einem Abschluss.

Spielen mit den anderen Kindern.

Anne: Welche Aktivitäten hast du neben Schule und Lernen unternommen?

Pisey: Ich habe viel mit den anderen Kindern Verstecken und Fangen gespielt als auch Brett- und Kartenspiele. Wir haben Ausflüge gemacht, sind Schwimmen gewesen oder spazieren, haben einen Film geschaut und sind Eis essen gewesen.

Anne: Was studierst du und wie läuft es mit dem Studium?

Pisey: Ich studiere Internationale Beziehungen und belege gerade vier Kurse. Danach brauche ich noch zwei weitere Kurse und dann kann ich meine Bachelorarbeit schreiben. Es läuft gut, bald ist das Examen.

Anne: Hast du noch Kontakt zum Kinderheim und zu ehemaligen Kindern und Betreuern?

Pisey: Ja! Ich fahre eigentlich mehrmals im Monat ins Kinderheim. Leider ist es wegen Covid derzeit nicht erlaubt. Wenn die Kletterhalle offen ist, treffe ich die anderen Kinder und Ehemaligen mehrmals die Woche, da wir dort zusammen klettern.

Anne: Du hast über einen langen Zeitraum eine Patin/einen Paten aus Deutschland gehabt. Wie hast du diese Patenschaften erlebt?

Pisey: Am Anfang habe ich Briefe geschrieben. Ein – oder zwei Mal habe ich keine Antwort bekommen. Aber es hat trotzdem immer sehr gut funktioniert. Seit dem Besuch meiner Patin schreiben wir uns über das Handy. Sie motiviert und unterstützt mich immer zum Lernen, das ist toll.

Anne: Was sagst du dazu, dass das Kinderheim nach langer Zeit wieder jüngere Kinder aufnimmt?

Pisey: Ich denke es ist gut. Ich liebe das Kinderheim, denn es ist besser als mein eigenes Zuhause gewesen. Die Kinder, die dort hinkommen, haben Schwierigkeiten in ihrem Zuhause. Sie können sich daher nicht auf das Lernen konzentrieren. Sie werden nicht ausgebildet und nicht ermutigt. Die Angehörigen können sie im Kinderheim besuchen.

Anne: Liegt dir noch was auf dem Herzen, was du über/zu Chibodia sagen möchtest?

Pisey: Dank Chibodia bin ich die Person, die ich heute bin. Ich kann allein leben und überleben, ich wüsste nicht, wer ich ansonsten heute wäre. Wahrscheinlich wäre ich mit jemandem verheiratet und würde in einer Textilfabrik arbeiten, so wie meine Cousine.

Anne: Vielen Dank, Pisey!